Tagesspiegel
28.05.2013

Verlängerung der A 100 Gegen eine Ökodiktatur in Berlin

27.05.2013 18:25 Uhr von

Der Bau der A100-Verlängerung hat gerade begonnen. Es geht nicht nur darum, Ost-Berliner Bezirke besser an die Stadtautobahn anzubinden. Eine komplettierte A 100 ist auch Teil eines ökologischen Verkehrskonzepts.

Wer weniger Verkehr im Berliner Zentrum haben will, muss ihm andere Wege weisen – so einfach ist das. Über zu viele Autos und Laster klagen, die sich über die Leipziger Straße schieben, und dann gegen einen Ausbau der A 100 zu sein, die den Verkehr um die Innenstadt herumleiten kann, geht nicht. Und wer A sagt, muss auch B sagen: Der Bau der A-100-Verlängerung, die endlich die Anwohner der kleinen Neuköllner Straßen entlastet, hat gerade begonnen – doch ohne den nächsten Abschnitt über die Spree nach Norden entsteht nur eine Staustelle an der Elsenbrücke. Deswegen ist richtig, dass die CDU vom Koalitionspartner SPD eine Entscheidung verlangt.

Es geht nicht nur darum, Ost-Berliner Bezirke besser an die Stadtautobahn anzubinden. Eine komplettierte A 100 ist auch Teil eines ökologischen Verkehrskonzepts: im Zentrum Vorrang für Fußgänger, Radler und den öffentlichen Nahverkehr mit mehr Radspuren, Umweltzone und Parkraumkonzept – und für alle, die dennoch das Auto benötigen, weil sie etwa zur Arbeit müssen, leistungsfähige Schnellstrecken statt ökodiktatorischer Verteufelung. Übrigens: Unter dem Bahnhof Ostkreuz wird seit einem Jahr bereits am Autobahntunnel gebaut – auf Vorrat.

 
     
RBB vom 05.05.2013

A100-Gegner protestieren vor dem Roten Rathaus

Drei Tage vor dem Baustart haben etwa 50 Berliner noch einmal gegen die Verlängerung der Stadtautobahn A 100 demonstriert.

Am Neptunbrunnen in Berlin-Mitte veranstalteten sie am Sonntag eine satirische Show. Unter anderem setzten sie den symbolischen ersten Spatenstich für einen Autobahn-Abschnitt, der direkt durch das Rote Rathaus führt.

Hintergrund der Aktion ist der für den kommenden Mittwoch geplante Baubeginn für die umstrittene Verlängerung der Autobahn A100. Der 3,2 Kilometer lange Abschnitt soll die Autobahn vom Dreieck Neukölln bis zum Treptower Park verlängern. Das Bündnis der Autobahn-Gegner stört sich vor allem an den hohen Kosten. Diese liegen bei etwa 500 Millionen Euro, die nach Ansicht der Kritiker besser für andere Projekte verwendet werden könnten.

Aber auch umwelt- und verkehrspolitische Argumente werden vorgebracht. Ein Sprecher des Bündnisses "A100 stoppen!" bezeichnete den Ausbau der Stadtautobahn als "verkehrspolitisch unsinnig". Zudem würden die Anwohner einer größeren Lärmbelästigung ausgesetzt.

Anwohner fürchten Gesundheitsbelastung

A100 (dpa, Archivbild)

Fließender Verkehr auf der A100. 

Das 3,2 Kilometer lange Teilstück der Stadtautobahn A100 von Neukölln nach Treptow ist in Berlin heftig umstritten. Politischer Streit und Anwohnerproteste haben das Großprojekt seit Jahren verzögert.

Auf der einen Seite hatte sich vor allem die Berliner Industrie für die Verlängerung stark gemacht. Die Industrie- und Handelskammer Berlin sagte dem Senat von Anfang an die volle Unterstützung zu. Die Verlängerung der A 100 sei ein wichtiges Infrastruktur-Projekt, betonte IHK-Sprecher Bernhard Schodrowski im Februar 2012.

Doch die Anwohner in den vom Autobahnausbau betroffenen Bezirken sahen das anders. Die Lärm- und Luftbelastung sei für direkt Betroffene und auch für Anwohner der Anschlussstellen eine Gesundheitsgefährdung, argumentierten sie. Zudem müssten Wohnhäuser und Gewerbebetriebe für den Ausbau der Autobahn abgerissen werden.

Bezirk, Umweltschutzverbände und Anwohner hatten deswegen gegen die Verlängerung geklagt, waren aber im Oktober 2012 vor dem Bundesverwaltungsgericht gescheitert.

 
     

junge Welt 06.05.2013

Bild: Rüdiger Hecht

»Protest-Spatenstich« vorm Roten Rathaus

Berlin. Am kommenden Mittwoch soll der Bau von Deutschlands teuerster Autobahn mit einem »feierlichen ersten Spatenstich« beginnen: Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Berlins Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) greifen zur Schippe, um die Arbeiten am 3,2 Kilometer langen und voraussichtlich 500 Millionen Euro teuren Stück Stadtautobahn A100 zwischen Berlin-Neukölln und Treptow zu eröffnen.

Am Sonntag demonstrierten Autobahngegner mit einem »Protest-Spatenstich« vorm Roten Rathaus und begruben symbolisch zahlreiche Vorhaben, für die man die halbe Milliarde sinnvoller verwenden könnte.

Im Oktober waren mehrere Klagen von Anwohnern und Umweltschützern gegen die Verlängerung der Autobahn vom Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen worden. Die Berliner Landesregierung aus SPD und CDU befürwortet den Bau. Den Winter über kam es wiederholt zu Auseinandersetzungen um geplante Baumfällarbeiten.
 
     
Neues Deutschland vom 06.05.2013

Noch ein Pleiteprojekt

Kurz vor Beginn der A100-Verlängerung weisen Gegner auf Mängel hin

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Oberbürgermeister Klaus Wowereit (SPD) setzen die Schaufel an. Es ist der erste Spatenstich für ein neues Prestigeprojekt, direkt vor dem Berliner Regierungssitz: Statt der Verlängerung der A100 werde nun die Stadtautobahn vom Alexanderplatz zum Neptunbrunnen gebaut. »Wir feiern dieses historische Vorhaben, für das lediglich das Rote Rathaus abgerissen werden muss«, kommentiert ein Moderator.

Allerdings ist das Ganze nur Satire: Die Politiker sind verkleidete Aktivisten der Bürgerinitiative Stadtring Süd (BISS), die gemeinsam mit dem Aktionsbündnis »A100 stoppen« am Sonntag zur Kundgebung gegen die Autobahnverlängerung aufgerufen hatte. Denn schon am Mittwoch soll die beginnen, ebenfalls mit einem Spatenstich in feierlicher Runde.

Teuerste Autobahnstrecke aller Zeiten

● Mammutprojekt: Mit bis zu 500 Millionen Euro ist der Streckenausbau der A 100 von der Grenzallee bis zum Treptower Park das teuerste Autobahnstück in der deutschen Geschichte. Grund für die hohen Kosten sind u.a. der Flüsterasphalt und andere Lärmschutzmaßnahmen.

● Umgebungsfresser: 650 Bäume, 100 Wohnungen, 20 Gewerbebetriebe und 350 Kleingärten müssen der 3,2 Kilometer langen Strecke weichen.

● Ost-West-Vereinigung: Seit den 1950ern wird an der A 100 gebaut, die ursprünglich als Ring konzipiert war - sollte es zur Wiedervereinigung kommen. Der 16. Bauabschnitt ist das erste Teilstück im Osten der Stadt.

● Abgetaucht: Auf weiten Teilen ist eine Trogkonstruktion vorgesehen. Die Autobahn liegt dort unter dem Straßenniveau.

● Höchstwerte: Die Stadtverwaltung schätzt ein Verkehrsaufkommen von 60 000 bis 100 000 Autos pro Tag. Höchstbelastungen wie am Funkturm mit 200 000 Fahrzeugen täglich seien nicht zu erwarten. mag

 

Zehn Jahre lang werden die Bauarbeiten an dem 3,2 Kilometer langen 16. Bauabschnitt von der Grenzallee zum Treptower Park dauern, bis zu 500 Millionen Euro soll er kosten. »Wir wollen den Wahnsinn dieses Großprojekts deutlich machen«, sagt Harald Moritz, in der BISS seit 1990 engagiert und verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus. Die A100-Gegner sehen nach wie vor im Ausbau der Autobahn eine Verschwendung von Steuergeldern, die den innerstädtischen Verkehr verstärke statt zu verringern und zu Ungunsten anderer, umwelt- und bürgerfreundlicher Maßnahmen gemacht werde. »Dabei bringt es den Senat seinen verkehrspolitischen Zielen nicht einmal näher«, sagt Moritz. Statt aus der Stadt werde der Verkehr in sie hinein geleitet. »Es wird nur Verlierer geben«, ist er sich sicher. Zudem sei die Finanzierung nicht geregelt, für den 17. Bauabschnitt vom Treptower Park zur Frankfurter Allee sehe es noch kritischer aus: »Die wissen nicht, wie sie die Spree überqueren sollen, wer das bezahlen soll - die wissen überhaupt nichts«, so Moritz. Auch Grünen-Vorsitzender Daniel Wesener befürchtet, »dass SPD und CDU der Stadt ein weiteres Pleiteprojekt bescheren«.

An dem Mammutprojekt scheiterten im Herbst 2011 auch die Koalitionsverhandlungen zwischen den Berliner Grünen und der SPD. Wowereit habe die Autobahn »geschickt instrumentalisiert, um eine widerstrebende SPD und eine kritische Öffentlichkeit von einer Großen Koalition zu überzeugen«, so Wesener.

Die Stadtverwaltung hält dagegen: Der Bau sei notwendig, um den Ostteil der Stadt besser an das Verkehrssystem anzuschließen und die Gesamtbelastung durch den Kfz-Verkehr zu verringern. Der Ausbau des inneren Rings sei Voraussetzung für eine wirtschaftliche Entwicklung und eine bessere Lebensqualität. Im Oktober letzten Jahres verpflichtete das Bundesverwaltungsgericht den Berliner Senat dagegen, beim Lärmschutz nachzubessern.

Auch am Tag des Baubeginns wird es eine Protestaktion geben. Am 8. Mai wollen die Kritiker unter dem Motto »Wir pfeifen auf die Verlängerung der Stadtautobahn A100!« mit einer Demonstration den symbolischen Spatenstich von Bundesverkehrsminister Ramsauer und Berlins Verkehrssenator Michael Müller (SPD) an der Anschlussstelle Grenzallee begleiten. Startpunkt ist das Protestcamp Neuköllnische Allee 33, Ecke Grenzallee.

 
     
taz vom 05.05.2013

Protest macht ersten Spatenstich

Am Mittwoch gibt's den Spatenstich für die A100. 50 Gegner protestieren dagegen vorm Roten Rathaus. Und hoffen immer noch auf ein Aus der Autobahn.von Konrad Litschko

Protest gegen die A100 gab's am Sonntag auch im Kleinen.  Bild:  dpa

Vor dem Spatenstich kommt die Beerdigung. „Das gesamte Berliner Straßennetz sanieren“, steht auf dem Plakat, das die in schwarz gekleidete Aktivistin zerknüllt und unter den mitgebrachten Erdhaufen pflügt. „VBB Fahrpreise 15 Jahre lang nicht erhöhen“, folgt als nächstes. Dann: „7.500 Kilometer neue Radspuren“. All das, sagt Mitstreiter Tobias Trommer ins Mikro, hätte man für die 475 Millionen Euro, die in die A 100 gehen, haben können: „Für immer verloren.“

Es ist ein „satirischer Spatenstich“, den am Sonntagnachmittag gut 50 Autobahngegner vor dem Roten Rothaus begehen. Der echte folgt am Mittwoch, 13 Uhr: Dann wollen Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) symbolisch den Weiterbau der A 100 an der Anschlussstelle Grenzallee beginnen. Damit wird das Autobahnprojekt nach Jahrzehnten der Planung tatsächlich Realität. Umstritten aber bleibt es weiter: Die von ihren Gegnern auf die Schippe genommenen 475 Millionen Euro machen den 3,2 Kilometer langen Neubau bis zum Treptower Park zu den teuersten Autobahnkilometern bundesweit. Ursache sind Lärmschutzmaßnahmen, Brückenbauten und ein nötiger Tunnel. Den Großteil der Kosten übernimmt der Bund. Trotzdem scheiterten die rot-grünen Koalitionsgespräche 2011 an der A-100-Frage, auch die SPD war lange gespalten.

Rot-Schwarz aber bekannte sich zu dem Projekt. Im letzten Oktober segnete auch das Bundesverwaltungsgericht die Baupläne ab, Ramsauer und der Bundestag gaben die Gelder frei. Inzwischen wurden für die Trasse bereits mehrere Neuköllner Gartenkolonien planiert und etwa 450 Bäume gefällt. Die Fertigstellung wird für 2020 erwartet.

Laut Senat werden durch den Weiterbau Berliner im Südosten von Lärm und Abgasen entlastet, da sich der Verkehr künftig auf der Autobahn bündeln werde. Genau das wollen die Kritiker vorm Roten Rathaus nicht glauben. Im Gegenteil werde noch mehr Verkehr in die Innenstadt gelotst, ist Tobias Trommer überzeugt. Der Friedrichshainer ist seit Jahren A-100-Gegner, schimpft über die „50er-Jahre-Verkehrspolitik“.

Auch Franz Schulz, Grünen-Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, steht unter den Protestierern. Im vergangenen Jahr klagte sein Bezirk gegen den Weiterbau und unterlag. Schulz hat die Hoffnung nicht aufgegeben. „Bis zur Bundestagswahl werden nicht viele Millionen verbaut sein, da könnte man das Projekt noch wirtschaftlich vertretbar kippen.“

80 Millionen Euro stellt der Bund 2013 und 2014 für den Weiterbau bereit. Dafür soll vorerst die Anschlussstelle Grenzallee umgebaut und die benachbarte Bergiusstraße verlegt werden. Der Senat hat beim Bund aber schon Mittel für den nächsten, den 17. Bauabschnitt vom Treptower Park bis zur Frankfurter Allee beantragt. Nur so, argumentiert er, gäbe es die volle Entlastung.

Nur: Dann geht es durch Wohngebiete, nicht mehr wie jetzt durch viel Brachland. Für Schulz eine Himmelfahrtsmission. „Dann ist die Autobahn nicht mehr weit weg, sondern direkt vor den Fenstern der Leute. Das gibt eine viel stärkere Mobilisierung.“ Sein Bezirk werde die weitere Planung „sehr, sehr kritisch begleiten“.

Am Sonntag lassen die Protestierer noch Luftballons mit angeknotetem Papiergeld in den Himmel steigen, dann rollen sie die Banner ein. Am Mittwoch aber soll weiterprotestiert werden. Eine Stunde vor Müllers und Ramsauers Spatenstich treffen sie sich ein paar hundert Meter entfernt: an einer Pappel in der Neuköllnischen Allee, seit Januar mit einem Zelt besetzt. Und die werde anhalten, verspricht Trommer. "In den entscheidenden Momenten sind wir oben."

 
     
Berliner Zeitung vom 06. Mai 2013

            Maskenmänner Ramsauer und Wowereit – das Aktionsbündnis A 100 stoppen protestiert mit Geldsäcken und Satire.

Maskenmänner Ramsauer und Wowereit – das Aktionsbündnis A 100 stoppen protestiert mit Geldsäcken und Satire.
Foto: dpa/Hannibal Hanschke

Anwohner und Aktivisten demonstrieren vor dem Roten Rathaus gegen den Weiterbau der A100. Am Mittwoch ist der erste Spatenstich für die Verlängerung der Autobahn.

Den Sinn für Witz und Satire haben die Anwohner in Neukölln, Treptow und Friedrichshain behalten. Drei Tage vor dem offiziellen erste Spatenstich für die Verlängerung der Autobahn A 100 von Neukölln zur Straße Am Treptower Park haben Bürgerinitiativen und Anrainer einen satirischen Spatenstich vor dem Roten Rathaus am Neptunbrunnen gefeiert.

Und die umstrittene A 100 mal schnell zur Innenstadtautobahn erklärt, die vom Alexanderplatz zum Neptunbrunnen führen soll, leider müsse „für diese optimierte Streckenführung aber das Rote Rathaus abgerissen werden“, sagt Tobias Trommer vom Aktionsbündnis A 100 stoppen.

Teuerste Straße Deutschlands

Ernst gemeint ist das natürlich nicht. Die Aktivisten werden aber nicht müde, öffentlich gegen die ihrer Ansicht nach „dümmste Autobahn Deutschlands“ zu protestieren. Geldverschwendung sei es, die nur 3,2 Kilometer lange, sechsspurige Strecke durch Neukölln und Treptow für 475 Millionen Euro zu bauen – die teuerste Straße Deutschlands.

Prall gefüllte Geldsäcke symbolisieren deshalb am Rathaus diese Verschwendung, für die Summe hätte laut Aktionsbündnis das gesamte Berliner Straßennetz saniert oder jedes Jahr 18 Kilometer Straßenbahnstrecke neu gebaut werden können. Wie Harald Moritz von der Bürgerinitiative Stadtring Süd (BISS) sagt, gebe es bei diesem Projekt nur Verlierer: „Wohnungen werden abgerissen, mehr als 300 Kleingärten wurden planiert und 600 Bäume gefällt. Anwohner werden durch Lärm belastet, Autofahrer stehen am Britzer Tunnel und an der Elsenbrücke im Stau.“

Trotz vieler Proteste und Klagen etwa von Anrainern und dem Bund für Umwelt und Naturschutz (Bund) hatte das Bundesverwaltungsgericht im Oktober 2012 den Weg für die Verlängerung der Autobahn frei gemacht. Die Richter akzeptierten die Argumentation des Senats, der 16. Bauabschnitt werde die Innenstadt von Durchgangsverkehr entlasten.

Teilerfolg

Auch wenn die Kläger den Bau nicht verhindern konnten, gab es für sie einen Teilerfolg. Statt vier werden in der Treptower Beermannstraße nur zwei Gebäude abgerissen, die Häuser Nummer 16 und 18 mit 114 Wohnungen bleiben stehen. Der neue A 100-Abschnitt soll 2022 freigegeben werden.

Der Weiterbau der Stadtautobahn ist in Berlin umstritten. 2011 war er Wahlkampfthema, an dem Projekt scheiterte die Bildung einer rot-grünen Regierung. SPD und CDU haben dann den Bau in ihrem Koalitionspapier vereinbart. Berlins SPD-Chef Jan Stöß betonte, dass die Autobahn Teil eines Gesamtkonzeptes sei, das auch Tempo-30-Zonen und eine umfassende Parkraumbewirtschaftung vorsieht, um Wohnquartiere von Autoverkehr zu entlasten. Eine größere Entlastung erwartet der Senat aber erst, wenn die A 100 bis zur Frankfurter Allee führt. Für den 17. Bauabschnitt entstehen bereits Teile eines doppelstöckigen Tunnels unter der Bahn.

Dennoch ist Martin Schlegel vom Bund optimistisch, dass der Kampf gegen die A 100 nicht verloren ist. Nach seiner Einschätzung wird das Bundesverkehrsministerium nach der Bundestagswahl in diesem Jahr eines seiner Großprojekte aus Geldnot streichen müssen. „Der Großflughafen BER wird es wohl nicht sein, mit viel Glück ist es die A 100.“

Hoffnung auf die Bundestagswahl

Und auch Franz Schulz (Grüne), Bürgermeister in Friedrichshain-Kreuzberg, setzt seine Hoffnung auf die Bundestagswahl. „Sollte es eine rot-grüne Regierung geben, wird sie sich noch einmal mit diesem unsinnigen Verkehrsprojekt auseinandersetzen müssen.“

Tobias Trommer findet es eine Farce, dass Politiker jetzt die A 100 feiern. „Am Mittwoch werden wir demonstrieren und auf die A 100 pfeifen.“ Ungeachtet der Proteste wollen um 13 Uhr Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Berlins Verkehrssenator Michael Müller (SPD) den ersten Spatenstich für den Weiterbau an der Anschlussstelle Grenzallee setzen.

 
     
Berliner Zeitung vom 24. April 2013

Teuerstes Stück Autobahn Weiterbau der A 100 beginnt

Von Peter Neumann

Der Weiterbau der Autobahn A 100 steht unmittelbar bevor. Zum ersten Spatenstich am 8. Mai hat sich der Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer angekündigt.

Der Weiterbau der Autobahn A 100, eines der umstrittensten Verkehrsprojekte in Berlin, steht unmittelbar bevor. Anfang Mai beginnen die Bauarbeiten – an der Anschlussstelle Grenzallee, wo der Stadtring derzeit noch endet. Das teilte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung am Dienstag mit. Intern hieß es, dass es am 6. Mai losgehen soll. Am 8. Mai wird der Baustart gefeiert – ebenfalls auf dem Baugelände in Neukölln. Dann werden Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) zum ersten Spatenstich erwartet.

Kosten: 472,5 Millionen Euro

Die 3,2 Kilometer lange sechsspurige Autobahn, die von Neukölln zur Straße Am Treptower Park führen wird, gilt als das teuerste Stück Straße, das jemals in Deutschland gebaut worden ist. Die Kosten werden auf 472,5 Millionen Euro veranschlagt. Der 16. Bauabschnitt des Stadtrings wird deshalb so kostspielig, weil ein großer Teil der Strecke in einem Gelände-Einschnitt verläuft. Auch die Deckschicht aus offenporigem Asphalt, die ebenfalls den Lärm dämpft, treibt die Kosten.

Senat und Bund halten die Aufwendungen für gerechtfertigt. Die östlichen Bezirke würden besser ans Autobahnnetz angebunden. 30 000 Berliner müssten weniger Lärm und Abgase ertragen, weil die Autobahn von Stadtstraßen Verkehr abzieht. Eine größere Entlastung wird allerdings erst dann erwartet, wenn die A 100 bis zur Frankfurter Allee führt.

Am 17. Bauabschnitt wird am Ostkreuz bereits gebaut: Dort entstehen erste Teile des geplanten Doppelstocktunnels unter der Bahn. Die A-100-Verlängerung nach Treptow, die 2022 fertig werden soll, stößt aber auch auf Ablehnung – zum Beispiel bei der Bürgerinitiative Stadtring Süd, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und den Grünen. Für die A 100 müssen 314 Kleingärten gerodet und mehr als 450 Bäume gefällt werden. „Am 5. Mai werden wir vor dem Roten Rathaus demonstrieren“, kündigte Harald Moritz (Grüne) an.

 
     
Tagesspiegel vom
23. März 2013

Ausbau der A 100 Unternehmer will nicht weichen

von
Autobahnkreuz. Da Silva streitet sich mit dem Senat über den Verkauf seines Grundstücks. Foto: Kai-Uwe Heinrich
Autobahnkreuz. Da Silva streitet sich mit dem Senat über den Verkauf seines Grundstücks. - Foto: Kai-Uwe Heinrich

Umweltschützer ketten sich an Bäume, Mieter protestieren gegen den Abriss ihrer Häuser. Und jetzt meldet sich auch noch José Texeira da Silva. Er hat ein Grundstück gekauft, das auf der Trasse liegt, und ahnte nichts davon.

Der Kreuzberger Unternehmer Jose Texeira da Silva hätte nichts gegen eine Autobahn neben seinem Grundstück. Da könnten die geräucherten Schinken, Weinkisten und Käsepaletten von der Iberischen Halbinsel noch schneller seinen Großhandel „Spanische Quelle“ erreichen. Doch für den Bau der geplanten A 100 von Neukölln zum Treptower Park soll das Gelände an der Neuköllnischen Allee, auf dem da Silva seinen Betrieb ausbauen will, in Beschlag genommen und die Lagerhalle abgerissen werden. Deshalb ist da Silva jetzt Autobahngegner und unterstützt seit Wochen Umweltschützer von Robin Wood, die auf seinem Grundstück einen Baum besetzt und ein Protestcamp eingerichtet haben.

Da Silva hat einfach Pech gehabt, könnte man denken. Autobahnen genießen in Deutschland uneingeschränkte Vorfahrt. Gemeininteresse bricht den Schutz von Einzelinteressen. Wer das nicht einsehen will, wird enteignet. Hunderte Kleingärtner haben sich schon dem Großvorhaben gebeugt. Ihre Parzellen sind abgeräumt, die Gehölze geschreddert. Doch so einfach wird sich der Unternehmer nicht vertreiben lassen.

Die A 100 am künftigen Autobahndreieck Neukölln. Foto: ddp
Die A 100 am künftigen Autobahndreieck Neukölln. - Foto: ddp

Er hat sein Grundstück – 1800 Quadratmeter groß – erst im Juni 2011 gekauft, bei einer Zwangsversteigerung des Amtsgerichtes. Damals war längst klar, dass die Autobahn gebaut werden soll. In einem Senatsschreiben an da Silva wird bestätigt, dass schon in den Planfeststellungsunterlagen von 2009 das Grundstück als „vollständig in Anspruch zu nehmen ausgewiesen“ wurde. Die Lagerhalle sei „im Rahmen der Baumaßnahme abzureißen“.

Das hätte da Silva wissen können, hätte er sich damals für die A 100 interessiert. Als Unternehmer mit 30 Mitarbeitern hatte er anderes zu tun, sagt er. Auf jeden Fall hätte es der Gutachter wissen müssen, der das Grundstück für das Gericht bewertete. Doch das Gutachten gab nicht den aktuellen Planungsstand wieder. Und die Beamten der Bauverwaltung? „Die haben geschlafen“, sagt da Silva. Sein Anwalt, Karsten Sommer, vermutet Schlimmeres. „Die zuständigen Mitarbeiter der Senatsverwaltung haben von der Zwangsversteigerung gewusst, aber nichts getan. Das war fahrlässig.“

Die Senatsverwaltung lässt mitteilen, 2011 habe noch kein Baurecht vorgelegen, deshalb habe man nichts unternehmen können. Sommer hält dagegen: „Es gab mehrere Erwerbsfälle vor dem Baurecht.“ Ein Sprecher der Senatsbauverwaltung erklärte schon im April 2011 gegenüber dem Tagesspiegel, am Kauf der für die A 100 benötigten Grundstücke halte man fest. Dafür seien 56 Millionen Euro vorgesehen. Bislang wurden von dieser Summe nach Senatsangaben 18,5 Millionen Euro ausgegeben.

Anwalt Sommer vertritt nach eigenen Angaben sechs Mandanten mit großen Grundstücken an der geplanten Trasse. Er habe den Senat mehrmals aufgefordert, Kaufangebote abzugeben – bis heute vergeblich. „Es gibt kein Bemühen des Landes, Grundstücke zu erwerben.“

Im Fall da Silva liegen die Dinge anders. Im südlichen Trassenbereich sollen die Bauarbeiten im Sommer beginnen. Hier besteht akuter Handlungsbedarf, sonst verzögert sich der Bauablauf. Der Senat habe ihm 500 000 Euro für sein Grundstück angeboten, etwa die gleiche Summe, die da Silva bezahlt hatte. Doch der Unternehmer will eine Entschädigung für die Kreditkosten und den entgangenen Gewinn, rund drei Millionen Euro. Die Senatsverwaltung will sich aus Datenschutzgründen nicht zu dem Fall äußern.

Umstrittene Piste. Die einen befürworten den Bau der A 100 und hoffen auf flüssigeren Verkehr. Andere fürchten Krach und Abgase. Umweltschützer haben Plakate in die Bäume gehängt. Foto: Kai-Uwe Heinrich
Umstrittene Piste. Die einen befürworten den Bau der A 100 und hoffen auf flüssigeren Verkehr. Andere fürchten Krach und Abgase. Umweltschützer haben Plakate in die Bäume gehängt. - Foto: Kai-Uwe Heinrich

Sommer rechnet demnächst mit einem Enteignungsbescheid, gegen den er klagen will. Wegen der Umstände des Grundstückserwerbs stehen die Chancn nicht schlecht. Möglicherweise droht den Planern eine juristische Hängepartie.

Einen kleinen Erfolg haben da Silva und die Baumbesetzer von Robin Wood schon jetzt eingefahren. Die Pappeln auf dem Grundstück sollten im Winter gefällt werden, doch mehrere Versuche konnten die Besetzer vereiteln. Wegen der beginnenden Brutsaison darf erst wieder im Herbst die Kettensäge angeworfen werden.

Bei den Kleingartenanlagen waren die Planer wesentlich eifriger bei der Arbeit. Obwohl es politisch noch keine Entscheidung gab, ob die A 100 überhaupt gebaut werden sollte, wurde schon Ende 2010 den Kleingärtnern gekündigt. Im Februar 2012 begann die Räumung der ersten Parzellen, obwohl vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen die A 100 geklagt wurde. Damals fehlte auch noch eine verbindliche Zusage des Bundes über die Finanzierung des 420 Millionen Euro teuren Autobahnabschnitts.

Inzwischen sind die Kleingärten komplett gerodet, doch bei den Gewerbebetrieben an der Kiefholzstraße geht der Betrieb unverändert weiter. Die Autobahn scheint noch weit entfernt. Für die betroffenen Häuser an der Beermannstraße gilt das Gleiche. Sie sind erst 2015 dran, erklärte eine Sprecherin der Bauverwaltung.

Die Verlängerung der A 100 hat sich zu einem Langzeitprojekt entwickelt – ähnlich wie der Flughafen BER. Mit Fertigstellung rechnet der Senat im „Winter 2012/2022“. Durch den Fall da Silva erwarte man keine Verzögerungen.


 
     
 

Zeitungsausschnitt

 
 

 

 
13.03.2013 Robinwood

Illegale Fällungen für A100 in Berlin gestoppt

 
12.3.2013, Morgens um 7 Uhr bei eisiger Kälte: Protest gegen die A100 in Berlin-Neukölln (Fotos: ROBIN WOOD)   Auf der Widerstandspappel gegen die Autobahntrasse

+ + + Pressemitteilung von ROBIN WOOD Berlin + + + +

Das „Aktionsbündnis A100 stoppen“ konnte gestern in Berlin-Neukölln zusammen mit ROBIN WOOD-AktivistInnen die illegalen Fällungen von rund 50 Bäumen auf der geplanten Trasse der Stadtautobahn A100 verhindern. 40 Menschen demonstrierten unter und auf den Bäumen gegen die heimlich geplante Fällung, die nach Ablauf der Rodungsperiode vorgenommen werden sollte. ROBIN WOOD-AktivistInnen hielten auch über Nacht ihre Widerstandspappel  auf dem Grundstück Neuköllnische Allee 33 besetzt. Sie fordern einen Verzicht auf den Bau des überflüssigen und teuren Autobahnteilstücks von Neukölln nach Treptow.

Am Montag dieser Woche war bereits mit einem Harvester versucht worden, die Widerstandspappel mit der Baumplattform von ROBIN WOOD umzusägen. Diese und weitere Fällarbeiten auf Privatgelände konnten nur durch Androhung rechtlicher Konsequenzen und mit Hilfe der Polizei verhindert werden. Das Fällkommando war angerückt, während der Grundstücksbesitzer nicht vor Ort, sondern beim Senat zu Verhandlungen über sein Grundstück war.

ROBIN WOOD-AktivistInnen hatten in der vergangenen Woche beobachtet, dass Bäume auf der geplanten Autobahntrasse zur Fällung markiert worden waren. Außerdem waren an der Straße auf der exakten Breite der geplanten Trasse Parkverbotsschilder aufgebaut worden. Daraus ließ sich schließen, dass ab dem 12. März dort gefällt werden sollte - obwohl der Planfeststellungsbeschluss für die Trasse und die Baumschutzverordnung das Fällen nach dem 28. Februar verbieten!

Das „Aktionsbündnis A100 stoppen“ drängte die Projektleitung für den Autobahnbau zu einer Erklärung, warum Baumfällungen nach dem 28. Februar geplant seien. Erstaunlicherweise wollte niemand die Schilder aufgestellt haben, die kurz darauf umgedreht und dadurch ungültig wurden. Das Bezirksamt Neukölln antwortete auf eine Kleine Anfrage (KA/058/XIX), es habe die Markierungen an den Bäumen nicht zu vertreten und auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung habe keinerlei Markierungen an den Bäumen angebracht.

„Plötzlich wollten alle VerwaltungsbeamtInnen und PolitikerInnen nichts mehr mit der Fällung zu tun haben. Das Fällkommando wurde zurückgepfiffen. Für uns ist das ein Erfolg, aber auch eine Ermahnung, wachsam auf ‚unsere’ Bäume aufzupassen“, sagt Sylvester Kaben von ROBIN WOOD.

Das Grundstück mit der besetzten Widerstandspappel und die 50 Bäume gehören zu den letzten Hindernissen, die dem größenwahnsinnigen Autobahnprojekt im Wege stehen. Wird mit dem Bau tatsächlich begonnen, würden auf einer neuen Großbaustelle Hunderte Millionen Euro Steuergelder versenkt werden. Dieses Autobahnteilstück würde zu den teuersten Straßenkilometern zählen, die jemals in Deutschland gebaut wurden.

 
     
13.03.201
Junge Welt

Bild: www.a100stoppen.de

Protest gegen Baumfällung und Autobahnausbau in Berlin-Neukölln

Berlin. Trotz eisiger Kälte haben am Dienstagmorgen rund 30 Menschen in Berlin-Neukölln gegen die Verlängerung der Stadtautobahn A100 protestiert. Aktivisten hatten eine Pappel bereits die ganze Nacht über besetzt gehalten. Nach einer versuchten illegalen Baumfällung in der vergangenen Woche bestreiten die Verantwortlichen nun nach Angaben der Autobahngegner, aktuell Baumfällungen geplant zu haben. Dies habe die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt auf Anfrage am Montag mitgeteilt, hieß es. Weitere Bäume sollten nicht vor September abgesägt werden. Die Aktivisten sehen jedoch in angebrachten Markierungen Hinweise auf bevorstehende Fällarbeiten. Das Bezirksamt erklärte auf Anfrage der Bezirksverordneten Marlis Fuhrmann (Die Linke), man könne »nicht nachvollziehen, wann und auch wer die Bäume vor dem Grundstück Neuköllnische Allee 33 markiert hat«. Die Behörde gehe deshalb von Vandalismus aus. »Eine Anzeige bzw. eine strafrechtliche Verfolgung würde jedoch ins Leere laufen, da hier eine Ermittlung nicht erfolgversprechend wäre.«
 
     
12.03.2013 taz

Sylvester bleibt oben

Autobahngegner protestieren in Berlin gegen das Fällen von Bäumen für den Bau der Autobahn A 100 – um 7 Uhr früh.von Konrad Litschko

Protest gegen die A 100.  Bild:  DPA

Um kurz nach sieben schlüpft Sylvester an diesem Dienstagmorgen aus seinem Schlafsack, lugt aus der grünen Plane und seilt sich ab. Runter von der Pappel, hin zu 30 Gleichgesinnten – Autobahngegnern wie er selbst, der Baumbesetzer von „Robin Wood“.

Seit Anfang Januar hält Sylvester, wie sich der Endvierziger aus Friedrichshagen nennt, mit einem Dutzend Mitstreitern eine Pappel an der Neuköllnischen Allee besetzt. In einem Zelt, oben in der Krone. Seit ein paar Wochen nur noch gelegentlich, die letzte Nacht durchgängig. Die Pappel soll weg, für den Weiterbau der A 100. Und die Betonfeinde vermuteten: Schon gestern sollte sie fallen, sowie 50 weitere Bäume, mit einem gelb „X“ markiert. Wiesen darauf doch Parkverbotsschilder hin: für Dienstag, 7 Uhr.

Punkt sieben stellen sich dann erst mal die Gegner im Schneegeriesel vor die Pappel und halten fröstelnd blaue Schilder hoch, die stilisierte A 100 durchgestrichen. Protestorganisator Tobias Trommer, ein Posaunist, die Mütze weiß vor Schnee, schimpft über die Fällpläne: „Ein horrender Eingriff in die Stadtnatur.“ Illegal obendrein, dürfe doch nur bis Ende Februar gefällt werden, wegen des Vogelschutzes. Der Grüne Harald Moritz, seit 20 Jahren A-100-Kritiker, fordert eine „S-Bahn und Radwege, die funktionieren, keine sinnlose Autobahn“. Dann spielt Karl, ein Lehrer, mit kälteroten Fingern Gitarre – Beethovens „An die Freude“. Die Gegner singen darüber: „Feinstaub? Lärm? Wir sagen: nein!“ Dahinter wird sich an einer Feuertonne gewärmt.

Bekannte Protestbilder – nur nicht um sieben Uhr morgens.

Der Widerstand wird zum Fulltime-Job. Samstagnachmittag mal zur Demo? Reicht nicht mehr. Nachts wird mit Flüchtlingen vorm Brandenburger Tor übernachtet, frühmorgens die Zwangsräumung blockiert, monatelang in einer Protesthütte am Kotti verharrt. Oder in der Pappel. Job und Alltag werden flexibel – die Revolte auch.

Nur: Der Gegner lernt. Die Bundesregierung lud die Flüchtlinge ein und scherte sich danach nicht weiter. Die Zwangsräumerin kam noch früher als die Blockierer. Und auch am Dienstag sind keine Sägearbeiter zu sehen. „Da kommt auch keiner“, sagt einer der beiden Polizisten, die entspannt die Demo beobachten, Hände in den Jackentaschen.

Wenig später verneint auch Petra Rohland Fällabsichten. Die Parkverbotsschilder, erklärt die Sprecherin von Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD), seien für Wasseranschlussarbeiten aufgestellt worden. Alle für die A 100 zu fällenden Bäume seien vorerst gefällt, so Rohland. Wie viele, sagt sie nicht. Protestler Trommer zählt 447 zerhäckselte Bäume. Außerdem sei letzte Woche ein Kranwagen vor der besetzten Pappel angerückt, das Fällen in letzter Minute verhindert worden. Man werde die übrigen Bäume nicht mehr aus den Augen lassen.

Ob das den Autobahnbau noch verhindert? Juristisch ist alles verloren, der Senat pocht auf die A 100. Noch ein Großprojekt in den Sand setzen geht nicht. Im Sommer soll der erste Spatenstich sein für den 3,2 Kilometer langen Weiterbau von Neukölln nach Treptow, 460 Millionen Euro teuer. „Der Protest wird nicht nachlassen“, sagt Trommer. Die Widerständler werden flexibel bleiben müssen. Und noch sitzt Sylvester in der Pappel.

 
     
Berlinedr Kurier:
Mittwoch, 23. Januar 2013
Die A100-Rebellen

Seit drei Wochen frieren sie sich einen Ast

Von MIKE WILMS

Neukölln –  

Für Baum-Besetzer ist im Leben nicht immer alles eitel Sonnenschein – vor allem nicht bei minus 10 Grad! Jede Nacht harren die A100-Gegner dennoch in fünf Metern Höhe auf ihrer Pappel aus. Und das seit nun fast drei Wochen. Ski-Unterwäsche, heißer Tee und gelegentliche Sauna-Besuche schützen sie vor Frostbeulen.

„Selbst wenn das Wetter besser wäre, bliebe das A100-Projekt genauso Sch****.“ Nach diesem Motto hält Anwohner Peter (23) tapfer durch. Und reibt sich die kalten Hände über dem Feuer, das unterm Baum in einer alten Blechtonne lodert. Mit-Aktivist Silvester (47), Inhaber eines Fahrrad-Ladens, schüttet sich Tee aus der Thermoskanne ein. Bei einer Tagestemperatur von minus 7 Grad stellt er fest: „Das fängt ja schon an einzufrieren!“ Entsprechend hochgerüstet tritt er seine 24-Stunden-Schichten an: Mit Skihose und zwei Schlafsäcken sitzt er oben auf der Baum-Plattform an der Neuköllnischen Allee/Ecke Grenzallee.

Als Pfadfinder-Camp für ganz Harte sehen die Baum-Rebellen ihre Aktion aber natürlich nicht. Die zwei Dutzend A100-Gegner wollen das 470 Millionen Euro teure Autobahnteilstück verhindern. Sie sehen es als „Geschenk an die Bauwirtschaft“. Peter sagt: „Hier wird ein ganzer Stadtteil zersiedelt, die Kleingartenanlage gegenüber ist schon fast plattgemacht.“ Das viele Geld sei bei der Förderung öffentlicher Verkehrsmittel und sozialer Mieten deutlich besser aufgehoben.

Bevor Silvester dann mit seiner Kletter-Ausrüstung am Seil auf die Pappel klettert, sagt er noch: „Schlimmer als die Kälte ist der Lärm des Verkehrs. Hier wird bald nur noch wohnen, wer zu arm ist, um fortzuziehen ...“ Übrigens: Jeden Sonntag, 15 Uhr, gibt’s unterm Baum Kaffee und Kuchen für alle Interessierten.

 
     
 

Pressemitteilung

03.01.2013, Kategorie: Verkehr

Baumbesetzung gegen A100 in Berlin

Kritik an Verkehrs- und Sozialpolitik / Weitere Proteste angekündigt

Aus Protest gegen die geplante Verlängerung der Stadtautobahn A100 haben heute unabhängige Aktivist_innen gemeinsam mit Aktiven von ROBIN WOOD auf der geplanten Trasse in Berlin-Neukölln einen Baum besetzt. Sie fordern einen Verzicht auf den Bau des überflüssigen und teuren Autobahnteilstücks von Neukölln nach Treptow.

Die Aktivist_innen zogen eine hölzerne Plattform in die Krone einer hohen Pappel und entrollten ein Transparent mit der Aufschrift "Gutes Klima - Soziale Stadt - Stop A100". Die Aktionskletter_innen wollen auf unbestimmte Zeit auf dem Baum verweilen, um ihn vor der Fällung zu schützen. In der Nähe soll eine Mahnwache entstehen – als Infopunkt für Menschen, die sich für den Widerstand gegen die A100 interessieren. Der Aktionsort befindet sich in Neukölln an der Neuköllnischen Allee, nahe der Kreuzung Grenzallee. Der S-Bahnhof Köllnische Heide ist einige hundert Meter entfernt.

ROBIN WOOD: Baumbesetzung gegen die A100 in Berlin. Foto: Björn Kietzmann

In diesem Jahr soll der Bau des 16. Bauabschnitts der A100 beginnen. Die Trasse soll sechsspurig um drei Kilometer von Neukölln nach Treptow in Wohngebiete hinein verlängert werden. Über die Anschlussstellen Sonnenallee und Treptower Park würden Verkehrsströme in die Wohngebiete von Neukölln, Treptow und Kreuzberg geleitet – die Belastung durch gesundheitsschädlichen Lärm und Feinstaub würde stark zunehmen. Bereits seit November vergangenen Jahres sind für die geplante Autobahn Grünflächen in Kleingartenkolonien zerstört worden. Dies kann in unmittelbarer Nähe des Aktionsortes besichtigt werden. Nach den Kleingärtner_innen und den in den Kolonien zeitweilig untergekommenen Wohnungslosen sollen auch die Mieter_innen der zum Abriss vorgesehenen Häuser Beermannstraße 20 und 22 für die A100 vertrieben werden.

Der Bau des Autobahnteilstücks wird voraussichtlich über 470 Millionen Euro verschlingen. Den größten Batzen davon zahlt der Bund für Grunderwerb und Bau. Das Land Berlin trägt die Planungskosten, die sich auf 30 bis 40 Millionen Euro belaufen dürften. „Zusätzlich zum Millionengrab Berliner Flughafen wollen Bund und Berliner Senat für unnütze drei Kilometer Autobahn weitere Millionen Euro versenken. Das ist ein Geschenk an die Bau- und Verkehrswirtschaft“, kritisierte Peter Schwarz, ein an der Aktion beteiligter stadtpolitischer Aktivist. „Gleichzeitig fehlt den Berliner_innen an allen Ecken und Enden das Geld. Bezirkseigene Einrichtungen werden geschlossen, Flüchtlinge und Mieter_innen müssen um menschenwürdige Lebensbedingungen kämpfen. Hier zeigt sich, für wen der Senat da ist – und für wen nicht.“

Das Projekt ist das Ergebnis einer noch immer autofixierten, klimaschädlichen Verkehrspolitik. Diese ist beispielhaft an der gerade stattfindenden Bearbeitung des Bundesverkehrswegeplans für 2015 ablesbar: Wieder ist eine Wunschliste von neuen Straßen zu erwarten. Jeder Neubau von Autobahnen leistet aber dem automobilen Individualverkehr Vorschub. Der öffentliche Nahverkehr bleibt hingegen auf der Strecke. „Der öffentliche Nahverkehr ist zu teuer und geht mangels Investition und Pflege vor die Hunde. Regelmäßig bricht der Zugverkehr in der Hauptstadt zusammen, die S- und U-Bahngäste lässt man frierend im Regen stehen“, sagte Alexander Gerschner von ROBIN WOOD. „Nachdem es dennoch in den vergangenen Jahren endlich Zuwächse bei den Beförderungszahlen gab, wollen Politiker von CDU und SPD die Uhr zurückdrehen und uns wieder ins Auto zwingen. Da machen wir nicht mit.“

Die Aktivist_innen sehen die Baumbesetzung als Auftakt zu weiteren Protestaktionen gegen die Verlängerung der A100. Im Frühjahr wollen sich Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer und Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit beim ersten Spatenstich für den neuen Autobahnabschnitt in Szene setzen.

Kontakt:

Pressekontakt vor Ort, Tel.: 0171.848 16 99

ROBIN WOOD-Pressestelle, Tel.: 040.380 892.22, presse(at)robinwood.de

www.robinwood.de

 
     
03.01.2013
Bericht in der Berliner Zeitung

Autobahn 100

Bis die Kettensäge kommt   

Stadtpolitische Aktivisten und Robin Wood protestieren gegen die A 100 – auf einer Pappel in Neukölln. Sie wollen ein Zeichen gegen die Vertreibung der Menschen und die Zerstörung der Vegetation setzen.

Weder der Nieselregen noch der kühle Wind über der Neuköllnischen Allee hat Umwelt-Aktivisten am Donnerstag davon abgehalten, eine Pappel direkt an der Kreuzung zur Grenzallee zu besetzen. Im Morgengrauen haben sie ihr Camp zwischen den Ästen errichtet. Über der Plattform hängt ein Transparent mit ihrer Forderung: „Stopp A 100!“
Baumbesetzung gegen die A100

„Wir wollen ein Zeichen setzen gegen die Vertreibung der Menschen und die Zerstörung der Vegetation“, erklärt Peter Schwarz, 23-jähriger stadtpolitischer Aktivist. Zu den Initiatoren der Aktion gehört auch die Umweltorganisation Robin Wood. „Das Geld soll in soziale und ökologische Projekte umgewidmet werden“, sagt Alexander Gerschner von Robin Wood. Die halbe Milliarde Euro solle in den öffentlichen Nahverkehr investiert werden und nicht in den drei Kilometer langen Ausbau der Autobahn. Zu den Forderungen zählt auch der Erhalt von Grünanlagen im dicht besiedelten Stadtgebiet.

Genau dort, wo die Trasse in Neukölln geplant ist und die Hütten der ehemalige Kleingartenanlage Sommerfreude nur noch verlassen dastehen, wollen die Aktivisten eine Mahnwache errichten. „Das ist kein abgeschlossener Zirkel von Experten hier“, erklärt Schwarz. Jeder, der mit der Aktion sympathisiere, könne sich beteiligen. Die Baum-Besetzer haben Infomaterial an Anwohner im Umkreis verteilt. „Die Reaktionen sind bis jetzt nur positiv“, sagt Schwarz. Der Besitzer des Grundstücks, auf dem die Pappel steht, und die Band Nümmes, die eigens einen Song gegen die A 100 geschrieben hat, kündigten Unterstützung an.

Positive Reaktionen

Die Idee zu der Besetzungsaktion entstand im Oktober mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, in dem Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau zurückgewiesen wurden. Im Anschluss wurde die Kleingartenkolonie stillgelegt, bis dann auch Obdachlose, die sie als Unterkunft zwischengenutzt hatten, vertrieben wurden.

„Wir sind erstmal ganz zufrieden hier“, sagt Peter Schwarz. „Wir bleiben, bis die Kettensägen anrücken.“ Oben auf der Plattform richtet sich inzwischen die zweite Besetzer-Schicht mit Schlafsack und Essen ein.

 
     
 

 
     
 

Baumbesitzer hilft Baumbesetzern (taz 5.1.2013 )

VON DMITRIJ KAPITELMAN
Der Streifenwagen bleibt kurz stehen, zwei Polizeibeamte mustern das Dutzend Demonstranten, dann fahren sie wieder. "So geht das schon den ganzen Tag. Die kommen ständig um zu gucken, ob wir noch da sind", sagt Enrico Schönberg, einer der Aktivisten, die in Neukölln eine Pappel besetzt haben, um den Ausbau der A 100 zu verhindern.

460 Millionen Euro für drei Kilometer Straße - Irrsinn in den Augen der Autobahngegner. Sowohl infrastrukturell, als auch umweltpolitisch. Am Donnerstagmorgen haben die Politkletterer von Robin Wood ihr Protestbaumhaus in der Neuköllnischen Allee hochgezogen - unweit des Autobahndreicks Grenzallee, wo die A 100 bislang endet. Bald kamen die Gesetzeshüter und mit ihnen die große Überraschung: keine Handhabe zum Räumen. Denn der Eigentümer des Privatgrundstücks, auf dem protestiert wird, ist ebenfalls Gegner des Bauvorhabens. Er lässt die Demonstranten gewähren. Robert, 25, einer der sieben Aktivisten, die auf rund vier Metern Höhe schichtweise ausharren, hangelt sich von der Plattform und sagt lächelnd: "Das hatten wir natürlich nicht erwartet. Wir haben jetzt mit dem Anwalt des Eigentümers telefoniert. Es gibt eine Menge gemeinsame Interessen." Eine Besetzung mit Einverständnis des Besetzten - ergibt das überhaupt Sinn? "Natürlich, das schafft ganz viel Potenzial. Hauptsache ist doch, ein Zeichen zu setzen und diesen Protest zu einer Massenbewegung zu machen." Seit gestern sind immerhin ein Infobus von "Freespaceberlin" und der "Anti-A-100-Chor" dazugekommen. Zur Melodie der "Ode an die Freude" singen sieben ältere Herrschaften, dass das Megaprotzprojekt nicht sein müsse. Chorleiter Eckhardt Franke ist eigentlich Grundschullehrer und unterrichtet 200 Meter weiter an der Bouché-Schule. Er glaubt nicht, dass der Kampf juristisch schon verloren ist. Obwohl das Bundesverwaltungsgericht bereits sein Okay für die Baupläne gegeben hat, obwohl der Haushaltsausschuss des Bundestages bereits den ersten Teil der 460 Millionen Euro für das Projekt freigegeben hat. Frankes Kampfparole ist einfach: "Was Menschen gemacht haben, können sie auch wieder ändern."
 
     
vom 24.10.2012Leserbrief in der Berliner Woche

Auch das sind Steuergelder

So sehr ich Ihr Engagement gegen den Rückbau des Adlergestells begrüße, so sehr hat mich Ihr Kommentar zum Weiterbau der A100 geärgert.
Es entspricht also dem gesunden Menschenverstand, 475 Millionen Euro für ein kurzes Stück Autobahn (3,2 km) zu verbauen, dessen verkehrspolitischer Nutzen sich allenfals mit dem noch einmal so teuren Weiterbau zur Frankfurter Allee zeigt? Bis sich überhaupt ein entlastender Effekt zeigt, haben die Anlieger vier Jahre mit Lärm, Dreck und erheblichen Einschrenkungen rund um Kiefholz-, Elsenstraße etc. zu kämpfen. Da wird keiner bei offenem Fenster schlafen. Zudem beklagte der Bundesverkehrsminister permanent den knappen Etat, aber hierfür wird der Betrag bedenkenlos zur Verfügung gestellt. Von der Summe können der nördliche Berliner Ring und die A24 sechsspurig ausgebaut werden.
Dieses Missverständnis zwischen Kosten und Nutzen als Kleinkrämerei zu bezeichnen halte ich für verantwortungslos. Auch dieses Geld ist Steuergeld.

Martin Jonscher
 
     
 

Geplante Autobahn-Verlängerung A 100-Planer verzichten auf Abriss zweier Häuser

28.09.2012 17:56 Uhr von , Jan Stremmel

Plakate gegen Verkehrsplaner: Auf einem Balkon in der Beermannstraße in Alt-Treptow protestieren Bewohner gegen den Abriss ihres Hauses. In diesem Fall erfolglos: Dieses  Haus mit der Nummer 22 wird für die Autobahn-Verlängerung abgerissen. Zwei Nachbarhäuser aber bleiben stehen. Foto: Mike Wolff
Plakate gegen Verkehrsplaner: Auf einem Balkon in der Beermannstraße in Alt-Treptow protestieren Bewohner gegen den Abriss ihres Hauses. In diesem Fall erfolglos: Dieses Haus mit... - Foto: Mike Wolff

Vier Wohnhäuser sollten in der Beermannstraße in Alt-Treptow der Autobahn weichen. Am Freitag machte der Senat ein Zugeständnis an die Kläger: Zwei der Häuser dürfen bleiben. Für die Bewohner ist das ein Grund zum Jubeln - doch noch könnte alles anders kommen.

Erika Gutwirt läuft mit kleinen Schritten über gepflegten Rasen, vorbei an einer Gartenbank, hin zum gemauerten Grillplatz vor der Hecke. Wäscheleinen spannen sich quer über den Garten, ein Nachbar schiebt sein Fahrrad vorbei und grüßt. „Eine Idylle ist das“, sagt Gutwirt.

Und das kann ihr Garten voraussichtlich erst einmal bleiben. Beim geplanten Weiterbau der Stadtautobahn A 100 vom Dreieck Neukölln zum Treptower Park könnten zwei der vier bisher vom Abriss bedrohten Häuser an der Beermannstraße in Treptow stehen bleiben. Eines davon ist das von Erika Gutwirt.

Die 71-Jährige wohnt seit 1945 in der Nummer 16, Vorderhaus, zweiter Stock.

Vorne an der Straße riecht es nach Herbstlaub, fünfzig Meter weiter rollt die Ringbahn vorbei in Richtung Süden. Gutwirt führt Besucher sofort in den Garten hinter dem Haus. Der Rasen, die Bäume, das kleine Gartenhaus im Eck, dazu die Hausgemeinschaft mit Studenten und Altmietern – Gutwirt liebt ihr Haus.

Bildergalerie: Streit um A-100-Ausbau

Aber über dem Beermannkiez und seinen Bewohnern hängt seit Jahren eine Drohung wie eine große Gewitterwolke: Der hintere Teil der Straße soll abgerissen werden. Für die Autobahntrasse an der Beermannstraße hatten die Planer zwei Varianten entwickelt. Da klar war, dass die Häuser mit den Nummern 16, 18, 20 und 22 einem Weiterbau bis zur Frankfurter Allee im Weg stehen, entschlossen sie sich zum sofortigen Abriss.

Der Kiez reagierte: Die Wohnungsgenossenschaft, der zwei der Häuser gehören, klagte, Erika Gutwirt und ihre Nachbarn organisierten Demos und hängten blaue Plakate mit durchgestrichenen Autobahnschildern in ihre Fenster. Die Bedrohung schweißte den Beermannkiez zusammen.

 

 
     
  28.09.2012 17:56 Uhr von , Jan Stremmel

Vier Wohnhäuser sollten in der Beermannstraße in Alt-Treptow der Autobahn weichen. Am Freitag machte der Senat ein Zugeständnis an die Kläger: Zwei der Häuser dürfen bleiben. Für die Bewohner ist das ein Grund zum Jubeln - doch noch könnte alles anders kommen.

Das entscheidende Urteil wird erst im Oktober fallen.

 
     
 

Am Freitag hat der Kiez einen Teilerfolg errungen. Im Prozess am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat der Berliner Senat zugestanden, die geplanten Ein- und Ausfahrtsrampen zur Autobahn ein wenig anders zu führen. So müssen nur die Häuser Nummer 20 und 22 abgerissen werden. Direkt neben dem Haus von Erika Gutwirt wird man eine sechs Meter hohe Lärmschutzwand errichten.

Für manche Nachbarn ist die Nachricht Grund zum Jubeln. „Den Rest schaffen wir auch noch“, sagt Uwe Klein, der im Hinterhaus von Erika Gutwirt wohnt. Als er am Freitag vom Abrissverzicht erfuhr, klebte er die Nachricht an die Hauseingänge der Straße. Das Zugeständnis ist für ihn ein Zeichen, dass das ganze Projekt bröckelt.

Aber das ist noch lange nicht abzusehen. Das Urteil wird erst im Oktober fallen. Sollte das Bundesverwaltungsgericht dann den Weiterbau zulassen, müssen vielleicht auch die jetzt verschonten Häuser weichen – für den Fall, dass die Strecke wie bereits geplant dann auch weiter bis zur Frankfurter Allee gebaut werden sollte.

Der Protest in der Beermannstraße geht trotzdem weiter – „jetzt erst recht“, sagt Uwe Klein. „Wenn wir gar nichts machen würden, wären wir ja sofort raus hier.“ Ein negatives Vorbild haben die Kiezbewohner schon: den erfolglosen Protest gegen Stuttgart 21. „Die hätten mal ein paar Jahre früher anfangen sollen“, sagt eine Nachbarin.

Erika Gutwirts Garten mit der Bank und dem Grillplatz wird noch ein paar Jahre existieren – auch wenn die Lärmschutzmauer das Idyll stören dürfte. Immerhin einen guten Nebeneffekt hat das Ganze: Die Autobahn wird jetzt etwas billiger.