Sagen

 
  Der Stralauer Fischzug

Der Bartholomäustag (24. August) als gesetzlicher Festtag des Stralauer Fischzuges ist quellenkundlich nicht zu belegen, er läßt sich nur historisch ableiten. In allen Urkunden und Darstellungen vor 1574 ist dieser Tag in der Geschichte Stralaus ohne besondere Erwähnung und Bedeutung.
Mit dem Edikt der Fischereiordnungvom 23. Februar 1574 von Kurfürst Johann Georg (1571-1598) wird der 24. August ein markanter Tag: er ist als Beginn der Fischerei mit dem Grossgarn festgesetzt und beendet die seit Gründonnerstag bestimmte Schonzeit der Fische. Das Edikt der Fischereiordnung vom 3. März 1690 von Jurfürst Friedrich III. (1688), dann König Friedrich I., (1701-1713) bekräftigte die Schonzeit.
Stralau besitzt zwar seit 1564 eine Kirche, doch konnte die kleine Gemeinde mit 11 Fischerhöfen denLebensunterhalt für einen eigenen Pfarrer nicht aufbringen. Der Pfarrer kam aus Berlin (Ausnahme: 1639 bis 1668 aus Friedrichsfelde); bis 1750 gab es nur 14tägig Gottesdienst, danach fanden sie jeden Sonntag statt.
Die Besoldung des Pfarrers für seine Dienste in Stralau erfolgte nicht aus den Einkünften (Ackerzehnt, Opfer-kasten, Klingelbeutel, Pacht- und Strafgebühren) der Stralauer Kirche, sondern wurde durch Zahlungen und Dienste beglichen, die sich über Jahre veränderten. Nach der 1574 begonnenen Kirchenmatrikel von Stralau gehörte u.a. die Besoldung des Pfarrers der Ertrag von vier Fischzügen mit dem Grossgarn, der am 13. Oktober fällig war.
Vielleicht wollten die Stralauer Fischer zuerst ihre Pflicht gegenüber dem Pfarrer los sein, bevor sie zum eigenen Erwerb zu fischen begannen. Die vier Garnzüge fürden Pfarrer wurden auf den Beginn der Fischereisaison am 24. August verlegt und der fünfte Garnzug für die Fischerknechte ebenfalls. Für ihre schwere Arbeit erhielten die Fischer eine halbe Tonne Bier und ein einfaches Essen vom Pfarrer und dem Berliner Rat (ihrem Gutsherren) gespendet. Diese Spende wurde bei dem Fischer verzehrt, der das jährlich wechselnde Krugrecht inne hatte, beim Krüger. Das war guter Anlaß, bei Musik und Tanz einen ganz besonderen Tag im sonst recht ereignislosen Alltag zu begehen.
Nach den Quellen ist nicht zu belegen, daß die Stralauer Kirche dem heiligen Bartholomäus, einem Schutzpatron der Fischer, geweiht war, aber es ist wahrscheinlich, den das Kirchweihfest wurde am 24. August begangen. Da nach der Reformation in Brandenburg 1539 die beliebten Kirchweihfeste verboten waren, bot sich mit der Fischereiordnung von 1574 der 24. August förmlich an, ein beliebtes Fest unter neuem Vorzeichen wiederaufleben zu lassen und es entwickelte sich allmählich der Stralauer Fischzug als Dorffest.
Die ewig armen Fischer in Stralau waren im 18. Jahrhundert zunehmend bei reichern Berliner Bürgern und Adligen verschuldet. Dem Zeitgeist folgend, nutzen diese Reichen die Hypothekenlasten, um sich in Stralau Sommerhäuser zu bauen und waren offensichtlich von dem Dorffest angetan. Da besonders der Adel nach Abwechslung trachtete, kündiget 1780 Prinz August Ferdinand von Preußen (1739-1813) in einem Schreiben an den Berliner Rat seinen Besuch beim Stralauer Fischzug an und letzterer bemühte sich um einen angemessenen Rahmen, indem er u.a. die Dorfstraße reinigen leiß. Dieser Brief ist der erste schriftliche Nachweis des Stralauer Fischzuges. Selbst im Protocollbuch von Stralau 1674 - 1810, in dem die Strafbescheide, Kirchenbuchabrechnungen, Testamente und Hypotheken festgehalten sind, wird der Stralauer Fischzug nicht erwähnt, etwa als Tatzeitpunkt einer Rauferei, eines Diebstahls o.ä. Bartholomäustag.
In Stralow bei Berlin feiert man an diesem Tage das bekannte Fischzugsfest; die Fischer der Gemeinde ziehen früh Morgens mit Musik hinaus und thun fünf Züge mit dem großen Garne, deren Ertrag hauptsächlich für den Prediger des Dorfes bestimmt ist. Nachher gehts zum Dorfe zurück, wo sich bald die gedrängten Massen der Städter einfinden und den Tag in Jubel, dem auch Puppenspiel und andre Belustigungen, so wie ein Markt mit Glücksbuden und dergleichen nicht fehlen, hinbringen. - Ehmals bekam der Prediger auch alljährlich einen Stiefel, angeblich, damit er den zwischen Kirche und Dorf gelegenen Graben durchschreiten könne; doch ist diese Leistung jetzt in eine Geldzahlung von jährlich 11/2 Thaler verwandelt. - Dabei mag erwähnt werden, daß der Prediger in Käthen in der Altmark ebenfalls alljährlich einen Schuh erhält.


   

Die Gründung Berlins

Wo heute die Petrikirche steht, da ragte einst auf einem Sandhügel ein wendischer Tempel auf, der dem dreiköpfigen Gotte Triglav geweiht war. Rings um das Heiligtum standen auf der von den beiden Spreearmen gebildeten Insel ein paar armselige Fischerhütten. Das ist der Anfang unserer Stadt gewesen. Wie nun neben dem alten Kölln Alt-Berlin (jenseits des Mühlendammes) gegründet wurde, das erzählt uns die Sage:

Albrecht der Bär, der erste Markgraf, hatte sich auf der Jagd im Sumpflande der Spree verirrt. Er war von seinen jagdgenossen abgekommen und sah sich schon der Notwendigkeit gegenüber, im Walde zu übernachten, als er nach der Spree hinüber ein Licht flackern sah. Er folgte dem Scheine und kam bald an einen im Wasser errichteten Pfahlbau, den man nur über einen schmalen Steg erreichen konnte. Er pochte ans Hürdentor, und ein Knecht ließ ihn ein. Der führte ihn in einen von Kienspänen erhellten Raum, wo der Besitzer der Ansiedlung auf einem Bärenfell saß. Dieser grüßte ihn nach wendischer Sitte und fragte, was sein Begehr sei. Albrecht antwortete, daß er von seinen Gefährten abgekommen sei und um ein Nachtlager bitte; er gab sich aber nicht als Fürst des Landes zu erkennen. Der Wende antwortete: "Du bist zwar ein Christ, doch weiß Rudolf von Stralow, auch diesen gegenüber Gastfreundschaft zu üben. Hier hast du einige Fische; dort auf dem Fell findest du einen Platz zur Ruhe!" Albrecht, der die Gebräuche der Wenden kannte, forderte aber Salz und Brot, um es mit dem Wenden gemeinschaftlich zu essen; denn nur dadurch sicherte er sein Leben. Rudolf von Stralow gab beides ungern; aber er gab es doch - und so konnte sich Albrecht beruhigt niederlegen.

Doch kam er nicht zur Ruhe, es war viel Leben und Bewegung im Hause. Knechte kamen und gingen, bis endlich einer Rudolf von Stralow meldete: "Es ist alles bereit!" Da stand dieser auf und rüstete sich zum Ausgang. Sofort war aber auch Albrecht auf den Beinen und fragte: "Wohin willst du?" Der Wende wollte es ihm nicht sagen, bis ihn der Markgraf darauf aufmerksam machte: "Ich bin dein Gastfreund." Da bequemte sich Rudolf dazu, ihm zu berichten, daß er zu einem Triglavfest wolle. Albrecht forderte: "So nimm mich mit!" Der Wende konnte es ihm als seinem Gastfreund nicht abschlagen, doch hüllte er ihn zuvor in einen Wendenpelz.

So bestiegen sie den Kahn, der am Wasserausgang ihrer harrte. Rasch ging die Fahrt spreeabwärts, und unterwegs gesellten sich ihnen viele Kähne zu, Dort, wo die Spree sich teilte, stiegen sie aus, um zum Triglavtempel auf sandiger Höhe emporzusteigen. Dumpfes Gemurmel schlug ihnen am Eingang entgegen: der Tempel war voll von Wenden.

Albrecht sah sich um. Im Hintergrunde gewahrte er einen großen Vorhang, hinter dem ein seltsames Gestöhn hervortönte. Da schritt die weißgekleidete Priesterschar herein und begann die Anrufung des dreiköpfigen Gottes. Immer wilder und lauter wurde ihr Schreien. Als ihr wildes Rufen den Höhepunkt erreicht hatte, wurde der Vorhang aufgerissen, und Albrecht sah, wie sie aus Weidengeflecht ein scheußliches Abbild ihres Gottes errichtet hatten. Das ganze Innere Triglavs aber war angefüllt mit gefangenen Christen, die nun als Opfer dargebracht werden sollten. Der Oberpriester schritt auf den darunter aufgeschichteten Holzstoß zu und entzündete ihn. Schon wollte Albrecht sein Schwert zücken, um seine Glaubensgenossen zu befreien. Doch Rudolf von Stralow zog seinen Gastfreund schnell in die finstere Nacht hinaus, um ihn vor einer übereilten Tat und damit vor dem Tode zu schützen.

Schweigend ging die Fahrt zum Pfahlbau zurück. Als sie aber dort angelangt waren, drangen harte Worte aus Albrechts Mund: "Ein Bärlyn (Bärlein) will ich in den Sumpf da setzen; das soll die Wenden zusammentatzen, daß kein Christ mehr zu brennen braucht!" Erstaunt sah der Wende seinen Gast an: "Du sprichst stolze Worte voll Herrengeist! Wer bist du?" "Kennst du mich nicht? Ich bin Albrecht, den sie den Bären nennen - mein Bärlyn soll im Wendenlande herrschen und seine Tatzen weit auf Sumpf und Sand pranken! - Doch Stralow soll besonderen Schutz genießen, weil es mich beherbergt hat - nur der erste Fischzug gehöre dem Fürsten!"

So - erzählt die Sage - entstand neben dem wendischen Kölln das deutsche Bärlyn (Berlin) - und lange haben die beiden Städte nebeneinander bestanden, bis sie vereinigt wurden. Stralau aber feierte seit jener Zeit ständig seinen Fischzug, bis auf den heutigen Tag.

 

 
   
 

Die Wassernixe im Rummelsburger See

Die Wassernixe im Rummelsburger See
er Rummelsburger See hieß früher Stralauer See. In alten Zeiten soll in ihm ein Wasserfräulein von großer Schönheit gelebt haben.

Die hatte einen jungen Fischer lieb, der seine Netze im See auswarf. Einmal schenkte ihm die Nixe viel Geld, so daß er sich einen neuen Kahn und neue Geräte kaufen konnte. Dieser Kahn hatte eine wunderbare Eigenschaft: wenn der Fischer mit ihm über den See fuhr, wurde der Boden durchsichtig, und er konnte sehen, wo sich die meisten Fische befanden. Da wurde er bald ein reicher Mann; aber ein bißchen Grauen empfand er doch immer vor dem Wasserfräulein.

Sie besuchte ihn oft in mondhellen Nächten in seinem Kahn. Da geschah es einmal, daß ein Schuß vom Ufer fiel und die Nixe seufzend ins Wasser sank. Vorher konnte sie noch rasch ihren Schleier dem Fischer zuwerfen. Er ruderte eilends ans Ufer, um den vorwitzigen Schützen zu suchen. Er fand ihn tot, und seine Büchse war zersprungen.

In dieser Nacht pochte es heftig an des Fischers Tür. Als er öffnete, stand eine große Gestalt davor und rief ihm zu: "Du mußt sterben; denn du hast den Schleier meiner Tochter geraubt." Da lachte der Fischer: "So schnell geht das Sterben nicht! Ich habe den Schleier und behalte ihn! Deine Tochter muß mein Weib werden!"

In der nächsten Nacht holte der Mann den Fischer zum Hochzeitsfest. Da stand am Ufer des Sees ein wunderschönes Haus, aus dem Musik und Lachen erklangen. Im größten Raum war eine Hochzeitstafel gezogen, an der das Wasserfräulein saß und ihrem Liebsten zuwinkte. Er setzte sich zu ihr, und die Feier begann. Als die Mitternacht nahte, sagte die Nixe: "Um zwölf Uhr muß ich ein bißchen hinab auf den Grund des Sees." Das wollte dem jungen Ehemann nicht gefallen, und er stellte die Uhr nach, so daß die Mitternachtsstunde vorüberging. Als die Uhr dann doch endlich schlug, stieß das Fräulein einen wehen Schrei aus und verschwand. Und mit ihr verschwanden Gäste und Musikanten, Festespracht und Haus. Der Fischer lag einsam und verlassen am Ufer des Sees.

Da packte ihn wildes Weh nach dem verlorenen Glück. Er konnte die Wassernixe nimmer lassen und sprang in die vom Mondlicht überfluteten Wellen, um sie zu suchen. Niemals ist er wiedergekommen, und niemand weiß, wie es ihm drunten ergangen ist.