Kneipen in allen Ecken

 
  Ging man Anfang der dreißiger Jahre vom "Casino Treptow" (heute Cine Star Treptower Park) kommend die Elsenstraße entlang, traf man schon in der Nummer 110 hinter dem Straßenbahndepot (heute Park Center) an der Ecke Beermannstraße auf eine von dem Nazi Hermann Lietz geführte Kneipe "Zum Hackepeter" (in der DDR befand sich an der Ecke ein Geschäft, heute wieder ein Restaurant).
Restaurant 'Zum Hackepeter'   Restaurant 'Zum Hackepeter'
Gaststätte "Zum Hackepeter" 1938
 
   
1932 1932 berichtete die KPD-Zeitung "Rote Fahne" unter der Überschrift "Naziwirt knallt seinen Gast nieder" über einen Vorfall, bei dem der Jungarbeiter Hans Gabel von Lietz durch 2 Pistolenschüsse schwer verletzt wurde.
Werner Borch erinnert sich noch an den fraglichen Abend, als der junge Gabel, der in der Elsenstraße 30 gegenüber dem Haupteingang von Ehrich Graetz wohnte, laut schreiend an Borchs Lockal vorbei nach Hause rannte.
 
   
 

An der Ecke Elsen-/Kiefholzstraße und dicht daneben luden gleich fünf Kneipen zur Einkehr ein, und zwar die Lokale "Gustav Borch", Elsenstraße 101 - Später "Treptower Frühstücksstube" - heute "SChiefe Ebene". In der Kiefholzstraße 33 - Gastwirtschaft "Oettinger", später "Zum Elseneck", heute "08/15". Die Gaststätte "Rother", Kiefholzstraße 35, wurde HO-Gaststätte "Zur Guten Laune", jetzt "Grenzfall". An der Elsenstraße 27/28 hatte Gastwirt Kiesewetter das Lockal "Zur Treptower Klause", daneben befand sich das Kolonialwarengeschäft Böker, das sich bis zur Pleserstraße hinüber erstreckte. Beide Räumlichkeiten wandelten sich in der DDR zu einer Konsum-Verkaufsstelle. Nach 1990 bekan nan dort griechische Spezialitäten, heute befindet sich dort ein Restaurant "Welt des Essens".

 
   
  Durch diesen Dreh führte der Heimweg der Arbeiter der Firma Ehrich und Greatz. Deshalb diese Häufung der Lokalen. Und würden wir die Kiefholzstraße südlich noch ein Stück entlang bummeln, fänden wir weitere Lokale.  
   
  "Allein die Gaststätte Tonak, später Gürke, in dem Flachbau Kiefholzstraße 51 an der Ecke Treptower Straße, war eine Goldgrube", erzählt Werner Borch. "Wenn die Kutscher mit ihren Pferdewagen zum Güterbahnhof fuhren, der in der Höhe Puderstraße eine Ein-und Ausfahrt hatte, wo sie Holz und Kohlen aufluden, hatten sie gleich sechs Lokale zur Auswahl. Das erste befand sich an der Puderstraße, dann kam Tonak - heute ein unbebautes Eckgrundstück zur Treptower Straße - dann "Hedwig Lucas" in der Kiefholzstraße 400 - existiert auch nicht mehr -, dann Fritze Döhling, Oettinger und Borch".
 
   
  Nun soll unsere Tour die Graetzstraße (Karl-Kunger-Straße) entlang führen. Wo Pleser- und Wildenbruchstraße auf die Graetzstraße trafen, existierten nur zwei Lokale. Es waren "Wehner", Graetzstraße 28 - in der DDR die HO-Gaststätte "Filmeck", jetzt privat noch unter demselben Namen, sowie "Zur Klause", Plesser Straße 8- in der DDR ein HO-Schuhgeschäft, nach der Wende wieder Gaststätte. Vor und an der belebten Ecke Graetz-/Bouchéstraße mit der Straßenbahn-Endhaltestelle, vor dem Polizeirevier in der Nr.43 und der Firma Gurlt, später C.Lorenz A.G. auf den Hinterhöfen, hatten weitere Lokale ihren Standort, so zum Beispiel "C.Ringler" später "P.Hentzschel" in der Bouchéstraße 20/21 - in der DDR ein Postamt, jetzt zur Vermietung angeboten.  
     
  Von den Kneipen an der Kreutzung Graetz-/Krüllstraße ist der "Goldene Hirsch"mit Wirt F.Bartz, besonders hervorzuheben. Das Haus wurde durch Bomben zerstört. Der "Goldene Hirsch" war ein berüchtigtes SA-Lokal, von dem aus die Nazi-Schlägergarde das umliegende Arbeiterviertel zu terrorisieren versuchten. Bei solchen Straßenkämpfen kam am 5. November 1931 der SA-Schläger Erwin Moritz ums Leben.  
     
1933 In der letzten Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung, dem damals noch demokratisch gewählten Organ im Stadtbezirk Treptow, aus dem aber die Sozialdemokraten und Kommunisten schon ausgeschlossen waren, wurde am 24. Mai 1933 entschieden, die Krüllstraße in "Erwin-Moritz-Straße" umzubenennen. Das war die letzte Entscheidung der Versammlung, die in den darauf folgenden zwölf Jahren der Nazi-Diktatur nicht mehr tagte.  
     
  Am "Goldenen Hirsch" wurde eine große Gedenktafel angebracht. Schulkinder mussten dort an besonderen Tagen "Ehrenposten" stehen. Bürger, die dort vorübergingen, sollten die Hand zum Hitlergruß erheben. Die Folge war, dass die meisten die andere Straßenseite benutzten.  
     
  Zeitzeugen berichteten, dass die Treptower Nazis versuchten, Erwin Moritz nach dem Vorbild Horst Wessels aus dem Berliner Norden zum Märtyrer zu machen.
Frau Br., geboren 1905, sagte:
"Man wolte auch meinen Mann überreden, Mitglied der NSDAP zu werden. Aber er nahm Abstand. Wir waren ja von dem Kult angeekelt, den man mit Erwin Moritz machte. Die Bürger hier in unserer Gegend wußten ja, dass er genau wie Horst Wessel ein Ganove war."
Heer Neumann, Schmiedemeister:
"Erwin Moritz war ein absoluter Nichtsnutz, er hielt es mit den Mädchen", drückte er sich vorsichtig aus.
Frau Su. erklärte:
"Wir in unserer Familie kannten den ehrbaren Vater von Erwin Moritz, der ein kleines Mplkereigeschäft auf dem Hof des Hauses Kiefholzstraße 6 oder 7 betrieb. Nach 1945 hat er bei mir die Wohnung vorgerichtet, denn er machte nebenbei Malerarbeiten. Er wollte schon während der ganzen Nazizeit nichts von dem Rummel wissen, den mann mit der Verklärung des Todes seines Sohnes gemacht hatte. Er schwieg sich zu dieser ganzen Sache aus und lehnte dazu jede Stellungsnahme ab." Die Krüllsstraße erhielt nach 1945 wieder ihren alten Namen.
 
     
1945 An der wichtigen Kreutzung Graetz- und Lohmühlenstraße an der Wiener Brücke, wo man, von Kreuzberg kommend, den Stadtbezirk Treptow betrat, konnte man gleich in der "Ringeltaube" (auch Weiße Taube), Graetzstraße 1 einkehren. 1945 bei Kriegsende brannte das Gebäude während der letztenKampfhandlungen aus. Heute befindet sich an dieser Ecke ein Minimarkt. Die "Weiße Taube", so erinnernsich alte Treptower, war eine der schönsten Gaststätten im Ortsteil.  
     
  Die gegenüberliegende ebenfals beliebte Gaststätte "Grüning", Graetzstraße 70, Ecke Lohmühlenstraße, wurde im Krieg zerstört. Die Gasstätte "Carl Haase", später E.Plath, befand sich in der Graetzstraße 69 - in der DDR hieß sie "Treptower Klause", diesen Namen trägt sie heute noch. Es ist ein altes Lokal. Früher gab es dort sogar eine Barriere vor dem Haus zum Anbinden der Pferde, denn das war sozusagen ein Stammlokal für Kutscher, wenn diese auf den großen Holz- und Kohlenlagerplätzen ihre Fuhrwerke beladen und die Pferde tränken und füttern wollten.  
     
  Bog man an dieser Ecke in die Lohmühlenstraße ein, traf man dort hinter der Lederfabrik Dr. Salomon und Co., die bis 1931 bestand und aus der dann die Kistenfabrik Reschke hervorging, auf eine ganze Reihe Kneipen, von denen viele den Bomben zum Opfer fielen. So auch viele Restaurants in der Kiefholzstraße an der Görlitzer Bahn, wie zum Beispiel, "Im Krug zum grünen Kranze" Kiefholzstraße 17/Ecke Bouchéstraße, das als Verbandslokal des DHV (Deutschnationaler Handlungsgehilfeverband - eine Angesteltengewerkschaft) bezeichnet wurde. Das "Bürger-Casino", das um 1910 von Gastwirt A. Fordert an der Ecke Kiefholzstraße/Bouchéstraße 85 geführt wurde, verschwand ebenfals in den Trümmern. Die Häufung von Gaststätten vornehmeren Charakters und von einfachen Kneipen in der Lohmühlenstraße, in der Krüllsstraße und im nördlichen Teil der Kiefholzstraße hat Ursachen. Ein Gastwirt lässt sich schließlich nur dort nieder, wo Umsatz garantiert ist. Neben den Bewohnern der Mietskasernen mit Seiten-und Hintergebäuden in der Graetz-, Krülls- und Kiefholzstraße versprachen die zahlreichen Beschäftigten der Agfa Treptow, von Laternen-Weber, der Ledergfabrik Dr. M.J.Salomon u.Co. in der Lohmühlenstraße sowie eine Reihe kleinerer Betriebe nicht nur am Lohntag guten Umsatz. Darüber hinaus war schon um die Jahrhundertwende der beträchtliche Fuhrwerksverkehr an den großen Holzlagerplätzen, dem Kohleumschlag, den größeren Baustoffhandlungen entlang dem Landwehrkanal, an der Lohmühlenstraße bis zum Kiehlufer, ein Faktor, der den Wirten viele Gäste zuführte. Dazu kam, dass man traditionell von Kreutzberg über den Landwehrkanal auf ein Bier oder so zum Vergnügen nach Treptow hinüber ging. Damit folgte man dem allgemeinen Zug der Berliner, die in ihrer kargen Freizeit von jeher gern nach Alt-Treptow pilgerten.
Ende der 80er Jahre luden zu DDR-Zeiten nur noch 7 Lokale zur Einkehr.
 
     
Quelle www.heimatmuseum-treptow.de
Förderverein Museum Treptow e.V.
Buch "Johannisthal in Berlin", Autor Bernd Rompf u.a.
Buch "Alt-Treptow", Autorin Helga Pett
Buch "Baumschulenweg/Plänterwald in Berlin", Autor Georg Türke
Buch "Treptows vergangene Pracht", Autor Georg Türke
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