Zenner nach dem Zweiten Weltkrieg

 
 

Nach dem Ende des Krieges musste das Leben irgendwie weitergehen. Schon gut zwei Monate später, am 15. Juli 1945, konnten die lebenshungrigen Großstädter das erste Treptower Nachkriegsvolksfest neben der Gasthausruine feiern. Damit eröffnete Zenner, oder besser das, was vom Lokal noch übrig war, als erste Spreegaststätte ihren Gartenbetrieb wieder, wenngleich auch nur kurzzeitig. Die Gäste dürften diese ersten Momente im Lokalgarten nach langer Zeit ausgekostet haben. Regulärer Einlass und Bierausschank begannen im Dezember 1947 und wurden bis etwa 1952 fortgesetzt. Unter einfachen Verhältnissen und der Entgegennahme von Lebensmittelkupons versorgten die ersten Nachkriegswirte Herbert Martinkus von 1947 an (Eintrag ins Handelsregister 10. Dez. 1947) und ab 1949 der einst unter Direktor Körner arbeitende Paul Otto bis 1952 die Gäste mit einem bescheidenen Speisen- und Getränkeangebot. Begünstigt wurde der Betrieb allerdings durch die kaum beschädigten Berliner Brauereien, die kurz nach Beendigung der Kampfhandlungen die Bierproduktion mit beachtlicher Kapazität fortsetzen konnten. Der in den Adressbüchern als Fahrstuhlführer und Kaufmann geführte Martinkus wohnte von 1934 bis etwa 1944 bei seinem Freund Bieler im Alten Eierhäuschen ein‚ in dem er wohl auch zeitweilig mitarbeitete. Der provisorische Lokalausschank im Zenner lief noch eine Zeit lang unter dem Namen Etabl. Friedrich Knape, geändert in Etablissement Zenner, Inhaber Herbert Martinkus weiter, ehe der Betrieb eingestellt werden musste.

 
     
 

Der Neuaufbau auf dem Areal der abgebrochenen Ruine durch den Magistrat wurde nun von höchster Stelle ins Auge gefasst, verzögerte sich aber unter den damaligen Bedingungen noch um einige Jahre. Abgesehen von den eingangs geschilderten, archäologisch gesehen keinesfalls optimal gelösten Fragen, ergaben sich weitere Schwierigkeiten bei den Ausschachtungsarbeiten der sechs mal 20 Meter großen Baugrube, wie die Berliner Zeitung vom 6. Dezember 1953 berichtete. Statt des vermuteten 3,60 Meter tiefen Grundwasserspiegels musste die Tiefe von 2,50 Meter berücksichtigt werden, was den Einsatz von etwa 20 Brunnen erforderlich machte, um die notwendige Absenkung zu ermöglichen. Das neue - äußerlich dem früheren Stil nachgestaltete — Gasthausgebäude an der Straße Alt—Treptow 14-17 wurde in den darauffolgenden knapp anderthalb Jahren mit Hilfe staatlicher Mittel aufgebaut und am 1. Mai 1955 eröffnet. Der eigentliche Baubeginn war der April 1954. Nach Fertigstellung von Gebäude und Anlagen standen im Garten zunächst 600 Sitzplätze und auf der Terrasse weitere 100 zur Verfügung. In jeder Ecke des großen Veranstaltungssaals einschließlich eines Cafes mit einem Kuchenbüfett konnten seltene tropische Gewächse bewundert werden. Rund 60 Kellner, Köche, Garderobenfrauen und andere Bedienstete bemühten sich um das Wohl der von Anfang an zahlreichen Gäste. Eine Spreeklause für besondere Anlässe, die 25 Personen fasste, und eine Nachtbar erwiesen sich sogleich als Besuchermagneten.

 
     
 

Die gute Nachricht hatte sich schnell herumgesprochen, die Bevölkerung die neue Einrichtung rasch in Besitz genommen. Federführend bei der Planung und baulichen Umsetzung war der damalige Ostberliner Stararchitekt Hermann Henselmann (1905-1995), Chefplaner der Stalinallee. Insgesamt eintausend Sitzplätze luden zum Verweilen ein. Bis 1961 blieb die HO-Gaststätte eines der beliebtesten Gartenlokale Gesamtberlins. In den Zeiten der Mauer zeichnete sich der für Treptow geschichtsträchtige Ort als hervorragende Begegnungs- und Unterhaltungsstätte der DDR-Hauptstadt aus, in der ungezählte Veranstaltungen verschiedenartigen Charakters stattfanden. So konnte mehrfach in der Woche zu den Klängen einer Kapelle oder zu Discomusik getanzt werden. Großen Anklang bei den Anwesenden fanden betriebliche Feiern im Veranstaltungssaal. Einigen Gästen werden auch die Modenschauen und Alt-Berliner Zille-Bälle in Erinnerung geblieben sein. Und wer denkt nicht gern an die Pfingstkonzerte zurück, die das zahlreiche Publikum im Lokalgarten in Feierstimmung versetzten, wobei die Versorgung im Freien an Selbstbedienungskiosken stattfand. Nach der politischen Wende 1989/90 hatte das Haus Zenner ein privater Betreiber von der damaligen noch volkseigenen Bezirksdirektion Gaststättenwesen gepachtet. Heute gehört die Immobilie mittlerweile wieder zum Bezirk. Die Wiedereröffnung als Zenner-Restaurations GmbH - Haus Eierschale durch den Mitpächter Gert Wiechert fand am 18. April 1992 statt, ab April 1996 heißt der Chef des Hauses Frank Kühl. Das Unternehmen Eierschale unterhält im westlichen Teil der Stadt zwei weitere Lokale, darunter eins am Kurfürstendamm. Im Erdgeschoss hat sich eine Filiale von Burger King einquartiert, der Biergarten bietet 1.500 Plätze zum Verweilen. Aus heutiger Sicht ist es gelungen, mit dem 1954/55 wiederaufgebauten - dem alten Vorbild nachempfundenen - Zenner, den Berlinern das einstige Treptower Wahrzeichen zurückzugeben und damit wohl das bedeutendste und vielleicht schönste Wasserlokal an der Oberspree wieder aufleben zu lassen. ‘Der Lauf der Dinge hat bewirkt, dass auch in heutiger Zeit - wie zu Urgroßmutters Zeiten - an historischer Stelle Schwof, Weißbier und Pilsener sowie Kaffee und Kuchen für gute Stimmung des Publikums sorgen und so soll es auch bleiben.

 
     
Quellen www.heimatmuseum-treptow.de
Förderverein Museum Treptow e.V.
Buch "Johannisthal in Berlin", Autor Bernd Rompf u.a.
Buch "Alt-Treptow", Autorin Helga Pett
Buch "Baumschulenweg/Plänterwald in Berlin", Autor Georg Türke
Buch "Treptows vergangene Pracht", Autor Georg Türke
Wikipedia